Mittwoch, 15. Dezember 2010

Eine weitere Weihnachtsgeschichte für euch

Der Gourmet
Wie uns allen bekannt, ist das Jahr schon recht fortgeschritten - Dezember haben wir - den heiligen Abend kriegen wir noch. Aber lassen Sie uns doch einfach schon einmal in die Zukunft schauen und vor unserem geistigen Auge die Örtlichkeiten wechseln.
Wir befinden uns auf der rauhen hoch gelegenen Alb - Einsamkeit, Schnee, Kälte und unbarmherzige Landschaft. Es ist der 23. Dezember. Auf einer verschneiten Wiese zwischen zwei starren Buchenwäldchen erkennen wir, an deren Rand gebaut, ein geräumiges Gatter mit einem schön gezimmerten Unterstand.
Drei Punkte sind auszumachen: Ein Schwarzer, ein Weißer und ein Rosaroter. Wir zoomen uns heran und erkennen ein schwarzes Lämmchen, eine persilweiße Gans und natürlich, wie könnte es bei Rosa auch anders sein, eine junge Sau (Ferkelchen).
Lämmchen kaut, Gänschen pickt und Schweinchen grunzt. Als nun die Gans ihr Mahl beendet und einen kräftigen Schluck Schnee die lange Gurgel hinabgleiten lässt, beginnt sie halsreckend und förmlich schnatternd zu reden. Dabei wendet sie sich dem Lämmchen zu: "Welches Datum haben wir heute?", fragt sie akademisch geziert. "Dezember", blökt es langgezogen aus dem kraftfuttergefüllten Mäulchen des Lammes. Es ist nämlich bei weitem nicht so intelligent wie Gänschen. "Heute schreiben wir den 23. Dezember, ein denkwürdiger und zutiefst zu überdenkender Termin mein Lieber!" doziert die Gans. "Des isch mr glaub i gleich", erwiderte unser minderbegabtes Lamm. "Ihr solltet aber einmal gründlich bedenken" und dabei wirft sie ihren physisch doch relativ kleinen Kopf schwankend zwischen Lamm und Schwein hin und her, "welch geradezu mörderische Gedanken unserem uns allzu gut bekannten Herrn und Bauern dieser Tage durch das Großhirn schweben." "Ja, wenn man es gründlich bedenkt, so sind wir doch dem Tode in geradezu bedenklicher Weise nahe." "Stimmt nicht, bin doch noch sooo ein kleines Schlachtgewicht," quikelte seinem naiven Naturell entsprechend das Schweinchen. Darauf die Gans, "Abgesehen davon, dass ihr die Tragweite des heutigen Datums in keinerlei Weise realisieren könnt und wieder und wieder in tierische Verhaltensmuster zurückfallt, sollten wir doch gemeinschaftlich unser bisheriges Leben einmal gründlich überdenken und über das Phänomen des Todes an und für sich diskutieren." "Meine Mama hat gesagt, friss, sauf und sei glücklich, will nämlich keine schrecklichen Geschichten hören," grunzelt es zurück. "Heimatland, dess isch doch a gschwollanes Gschwätz," blökt daraufhin Lämmchen. "A gscheitz Futtr sott ma henn. Do kennt ma au zfriedner sei." Hierzu äußert sich nun die Gans aber wie folgt: "Welch geradezu naives, ja simpel anmutendes Gedankengut kommt da wieder einmal zustande. Könntet ihr nicht wenigstens etwas adäquater auf meine Feststellungen eingehen?" Ein Schafsrülpser und ein Schweinefurz sind die Antwort, als ein behendes akrobatisches Flattern die Luft über den drei Gesellen ertönen lässt. Wildes schwarzes Gefieder setzt sich auf einen Pfosten des Gatters. "Gesegnetes Fest", krächzt es leicht ironisch in die kalte Winterluft. Rabe Rabner aus dem angrenzenden Wäldchen stattet mal wieder einen kleinen Besuch ab. "Wie ich sehe, unterhalten sich die Nachbarn recht angeregt. Um was geht es denn, wenn man einmal neugierigerweise fragen dürfte?" schmeichelt er galant. "Es geht um hochkarätige Interessen. Sozusagen um den Sinn des Lebens als solches, Herr Nachbar," spricht gekünstelt die Gans. "Ja, ja ja, Oh du fröhlicher, Oh du seeliger Weihnachtsbraten. Ist mir alles bestens bekannt Fräulein achtmalklug, ich weiß bestens Bescheid." "Was di bloß widr schwätzat", fiel dazu Lämmchen ein. Aber Ferkelchen meinte: "Meine Mama sollt noch leben, könnte gut mitreden." "Eigentlich seid ihr ja ausgemacht dummes Schlachtvieh", der Rabe wurde impertinent, "Frau Oberschlau diskutiert mal wieder und die Blödlinge geben ihren Senf Marke Einfalt hinzu. Ich habe den Bauern beobachtet, er hat gestern hinter dem Haus seine Schrotflinte gereinigt. Das heißt, es geht euch definitiv an den Kragen. Und euer ganzes Getue und die Ignoranz haben doch eh keinen Wert, einer wird wohl oder übel dran sein. Statt rumzuquatschen würde ich die Zeit eben sinnvoll nutzen. Denkt an schöne Zeiten zurück, macht was aus dem Rest eures Lebens - spielt, reißt Witze oder bastelt was." Der Rabe hatte einmal auf einer Müllkippe eine verschlissene therapeutische Fachzeitschrift gelesen. Die Gans wollte nun bereits wieder den akademischen Schnabel öffnen, als ein feines knirschendes Geräusch unsere Gesprächsteilnehmer verstummen ließ. Ein gummistiefelbewerter Mann in Friesenjacke und Schlabberjeans nähert sich unaufhaltsam stapfend. Er trägt eine Waffe unter dem Arm. Zipfelmütze ins Gesicht gezogen greift er in die Jackentasche. Was holt er raus? Genau! Zwei Schrotpatronen für die Doppelläufige. Gedanken hängen in der Luft während seines Näherkommens:
Gans: "Perfide menschliche Existenz!"
Lamm: "Was mecht denn der jetzt doa?"
Schwein: "Wenn bloß meine Mama da wär."
Rabe: "Oh je, da wendet sich der Gast mit Grausen."
Ein derbes Gesicht hängt über Kimme und Korn und ein heller Knall zerreißt die Stille der Alb. Vor einem klaren blauen Himmel schweben schwarze Federfetzen und kleine Spritzer roten Blutes in abstraktem Kontrast. Während der Schockminute ist Bauer Holderwein bereits am Gatter angelangt, hält einen zerfetzten Raben in die Höhe und grinst rötlich geädert über die feisten Backen. Er meint lapidar, wobei er sich seinen Zöglingen zuwendet. "Do henner dies Johr aber nommel Glick ghabt." Knirschenden Schrittes, die Beute unterm verschwitzten Arm, so läuft er nun von dannen zum heimischen Gehöft.
ANMERKUNG: Frau Holderwein beschenkte ihren Mann dieses Jahr mit einem chinesischen Kochbuch, welches er sich schon sooo lange gewünscht hatte. Allerdings schon einige Tage vor Weihnachten. Die Seite 169 hatte es ihm besonders angetan. Rabe Chop-Suey süss-sauer.

Copyright WahnsinnsMann U.T. (Es handelt sich bei dieser Geschichte um das geistige Eigentum von U.T. Ohne ausdrückliche Genehmigung ist das Kopieren oder eine Weitergabe der Geschichte nicht erlaubt)

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